Arbeitsrecht und ArbeitnehmerInnenschutz

Kurz zusammengefasst:

  • Kosten für unproduktive Zeiten sollen bei Crowdwork vermieden werden
  • Kontrolle über den Produktionsprozess soll aufrecht erhalten werden
  • Kernfrage: kommt Arbeitsrecht bei CrowdworkerInnen zur Anwendung?
  • Arbeitsrecht geht von zweipersonalen Beziehung aus, beim Crowdsourcing sind mindestens 3 Personen beteiligt (CrowdsourcerIn, Plattform, CrowdworkerIn)
  • Gefahr besteht, dass Vertragsverhältnisse nicht als Arbeitsvertrag qualifiziert werden und CrowdworkerInnen ohne arbeitsrechtlichen Schutz bleiben

 


Gig-Economy, Crowdworking und Crowdsourcing beruhen nicht unwesentlich auf der Annahme, dass die Arbeitenden Selbständige und nicht ArbeitnehmerInnen seien. Würde das stimmen, so bestünde kein arbeitsrechtlicher Schutz (insbesondere kein kollektivvertraglicher Mindestlohn, keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, kein Urlaub und auch kein Kündigungsschutz). Ist dem aber tatsächlich so?

 

Unter Fortbestehen eines hierarchischen Verhältnisses soll dessen Flexibilität durch Formen atypischer Beschäftigung wie insbesondere der Leih- und Teilzeitarbeit sowie befristeter Beschäftigung erhöht werden.[1] Crowdwork geht nun noch einen Schritt weiter, um einerseits die Kosten für unproduktive Zeiten möglichst zu vermeiden und andererseits aber weiterhin die volle Kontrolle über den Produktionsprozess aufrecht zu erhalten. Die Kernfrage in diesem Zusammenhang ist, ob Arbeitsrecht auf CrowdworkerInnen zur Anwendung kommt. Dies würde nicht nur bewirken, dass die entsprechenden Schutznormen greifen, sondern hätte auch darüber hinausgehende Konsequenzen: Dann wäre das Betriebsverfassungsrecht für CrowdworkerInnen anwendbar und diese würden vom Betriebsrat vertreten werden, wobei außerdem die Rechtswahl nur eingeschränkt möglich wäre und zusätzliche Gerichtsstände greifen würden. CrowdworkerInnen könnten sich auf die Koalitionsfreiheit berufen, sich in Interessenvertretungen zusammenschließen und ihre Entgelt- und sonstigen Arbeitsbedingungen kollektiv verhandeln.

 

Für die Frage der Anwendung des Arbeitsrechts kommt es bekanntlich wesentlich auf die Grenzziehung zwischen fremdbestimmten ArbeitnehmerInnen und selbstständigen LeistungserbringerInnen an. Damit sollen die wirklich schutzbedürftigen Personen von jenen abgegrenzt werden, für die der Schutz nicht notwendig ist, da sie ihre Interessen ausreichend selbst wahren und durchsetzen können. Zu dieser Abgrenzung wird in der österreichischen Rechtsordnung jedoch nicht auf das tatsachlich vorliegende Kräfteungleichgewicht abgestellt, sondern auf ein anderes, praktikableres Kriterium, nämlich auf die auf die Art der Leistungserbringung abstellende „persönliche Abhängigkeit“. Es geht dabei um die Aufgabe der Gestaltungsfreiheit der Arbeitenden bei der Erbringung von Dienstleistungen durch die Einordnung in eine fremde Organisation und die Unterwerfung unter die auch das persönliche Verhalten bei der Arbeit betreffenden Weisungen ihrer ArbeitgeberInnen.[2]

 

Das Arbeitsrecht geht dabei von einer zweipersonalen Beziehung aus (Arbeitsvertrag zwischen einem/einer ArbeitgeberIn und einem/einer ArbeitnehmerIn). Beim Crowdsourcing von Arbeit sind jedoch zumindest drei Personen beteiligt (CrowdsourcerIn, Plattform und CrowdworkerIn). Damit sind nach der herkömmlichen Analysemethode die komplexen Vertragsgeflechte in der Gig-Economy in einzelne zweipersonale Verträge aufzudröseln und es ist für jeden einzelnen Vertrag zu prüfen, welcher Vertragstyp vorliegt. Beim Crowdwork besteht wegen der Aufteilung der einzelnen Rollen bei der Leistungserbringung auf Plattformen und CrowdsourcerInnen das reale Risiko, dass am Ende keines der ihm zugrunde liegenden Vertragsverhältnisse als Arbeitsvertrag qualifiziert wird und die CrowdworkerInnen trotz Schutzbedürftigkeit ohne Schutz bleiben.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Geschäftsmodelle in der Plattformökonomie sehr unterschiedlich sind und ihre Organisation variiert nicht nur in Details, weshalb sich kaum grundsätzliche Aussagen treffen lassen. Jedenfalls greift aber das in der Gig-Economy bislang vorherrschende Postulat, wonach hier nur Selbständige agieren würden, zu kurz. Nach der herkömmlichen arbeitsrechtlichen Betrachtungsweise sind die dem Crowdwork zugrunde liegenden Vertragsverhältnisse in zwei Schritten jeweils einzeln rechtlich zu analysieren: Zuerst sind die VertragspartnerInnen zu definieren und dann die zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnisse rechtlich einzuordnen.

 

[1] Risak, What’s law got to do with it? (Arbeits-)Rechtliche Aspekte plattformbasierten Arbeitens, Kurswechsel 2/2016, 32 (33); siehe dazu auch Pacic, Atypische Beschäftigung: Rechtsfragen jenseits der Normalarbeit (2016).

[2] Leimeister/Zogaj/Blohm, Crowdwork – digitale Wertschöpfung in der Wolke, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft (2015) 9 (15); Strube, Vom Outsourcing zum Crowdsourcing, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft (2015) 75. (Arbeits-)Rechtliche Aspekte der Gig-Economy

 

Das gesamte Kapitel gibt es hier: www.gig-economy.at