Kurz zusammengefasst
- Problemlage des Vertretungsanspruches für CrowdworkerInnen verschärft sich, je weniger Betroffene in betriebliche oder betriebsähnliche Strukturen eingebunden sind
- In Gig-Economy fehlen klassische betriebliche Strukturen Beschäftigte sind nur am Rande oder gar nicht eingebunden
- CrowdworkerInnen somit für Gewerkschaften schwer zu erreichen
- Neue gewerkschaftliche Organisations- und Kampfformen müssen entwickelt werden
- Möglichkeit der Einbindung der CrowdworkerInnen in das Heimarbeitsgesetz besteht
- Einbeziehung arbeitnehmerähnlicher CrowdworkerInnen in das Arbeitsrecht wäre wünschenswert
Crowdwork ist auch aus gewerkschaftlicher Sicht ein Phänomen, das gewisse Fragen der Organisation und des Aktivismus in neuem Licht erscheinen lässt. Darüber hinaus ist die Problematik des Vertretungsanspruchs für die Gruppe der CrowdworkerInnen aufzuwerfen, insbesondere dann, wenn diese nicht als ArbeitnehmerInnen im herkömmlichen Sinne anzusehen sein sollten.
Die Problemlage der Gig-Economy verschärft sich, je vereinzelter die Betroffenen ihre Arbeit verrichten, je weniger sie in betriebliche oder betriebsähnliche Strukturen eingebunden sind. Nun ist gerade diese Vereinzelung eines der typischen Merkmale der internet- und plattformbasierten Arbeit in der Gig-Economy. Gerade in diesem Bereich fehlen klassische betriebliche Strukturen oft gänzlich oder die Beschäftigten sind in diese nicht oder nur ganz am Rand eingebunden. Somit ist diese Gruppe schon alleine vom äußeren Setting für die Gewerkschaften schwer zu erreichen und auch nur schwer einzubinden.
Ein weiterer für die Gewerkschaften relevanter Aspekt ist die nach wie vor unklare arbeitsrechtliche Stellung der verschiedenen Beschäftigten im Bereich der plattformbasierten Arbeit in der Gig-Economy.[1] So sind einige dieser Beschäftigten ganz eindeutig als ArbeitnehmerInnen zu qualifizieren. Andere sind wohl eindeutig Selbständige. Dazwischen finden wir eine nicht unbeachtliche Gruppe, die nicht eindeutig zuordenbar ist und wo sich die Beurteilung der Zuordnung unter Umstanden sogar täglich ändern kann. Selbst ein alleiniges Abstellen auf das Kriterium der wirtschaftlichen Abhängigkeit würde nicht immer zu einer befriedigenden und eindeutigen Lösung führen.
Nicht zuletzt betreiben viele CrowdworkerInnen ihre über Internetplattformen vermittelte Tätigkeit nebenberuflich. Auch das trägt dazu bei, dass der Leidensdruck prekärer Verhältnisse und der Wunsch, an diesen Verhältnissen etwas zu ändern, geringer ist als bei jenen Menschen, die ihr gesamtes Einkommen aus derartigen Beschäftigungen beziehen.
So stehen die Gewerkschaften vor der Herausforderung, wie sie mit einer nicht eindeutig als ArbeitnehmerInnen zu qualifizierenden Gruppe umgehen sollen. Nachdem die klassische Form gewerkschaftlicher Organisation und des auch betrieblich orientierten gewerkschaftlichen Kampfes im Bereich des internetbasierten, plattformorientierten Arbeitens in der Gig-Economy wohl nur eingeschränkt funktionieren wird, ist es notwendig, neue Organisations- und Kampfformen zu entwickeln. Insgesamt sollten sich die Gewerkschaften überlegen, ob eine sehr auf betriebliche Strukturen ausgerichtete Organisation auch noch dann passend ist, wenn diese immer kleinteiliger werden oder sogar ganz verschwinden.
Es gibt gewisse Möglichkeiten, zumindest in manchen Bereichen von Crowdwork auf rechtlicher Ebene zu reagieren. Es können Rahmenbedingungen geschaffen werden, die auch für CrowdworkerInnen faire Arbeitsbedingungen gewährleisten. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise die von Warter[2] vorgeschlagene Einbindung der (virtuellen) CrowdworkerInnen in das HeimAG. Der Gedanke ist insofern spannend, als hierbei auf einem vorhandenen rechtlichen Rahmen aufgebaut werden kann. Somit bedürfte es keinen weitreichenden Änderungen im Arbeitsrecht.
Um einen möglichst breiten arbeitsrechtlichen Schutz gewährleisten zu können, wäre eine weitgehende Einbeziehung aller arbeitnehmerähnlichen Beschäftigten wie der freien DienstnehmerInnen in das Arbeitsrecht – insbesondere auch das kollektive Arbeitsrecht – wünschenswert. Somit wäre auch dieser Bereich durch die Mindestentgeltregelungen der Kollektivverträge erfasst. Die Frage eigener Instrumente kollektiver Entgeltfindung würde sich in diesem Bereich nicht mehr stellen. In Deutschland hat man sich dieses Problems seit den 1970er-Jahren in § 12a Tarifvertragsgesetz (TVG) angenommen. In Österreich vertritt die Wirtschaftskammer die Interessen der gewerblichen Wirtschaft. Ihre Mitglieder sind zum überwiegenden Teil selbst keine ArbeitgeberInnen. Ein von der Wirtschaftskammer geschlossener Kollektivvertrag kann aber immer nur arbeitgeberInnenseitig für Wirtschaftskammermitglieder gelten. Dies ist im Verhältnis zu reinen ArbeitnehmerInnenorganisationen unproblematisch, da es zu keinen Überschneidungen der Zielgruppen kommt. Eine dem § 12a TVG nachgebildete Regelung müsste daher so gestaltet werden, dass sie nur für arbeitnehmerähnliche Personen gilt, die selbst keine Mitglieder der Wirtschaftskammer sind.
Alternativ könnte eine derartige Regelung vorsehen, dass derartige Vereinbarungen nur von freiwilligen Berufsvereinigungen auf beiden Seiten geschlossen werden können. Damit wäre das Problem aber nicht gelöst, sondern nur verschoben. Denn eine Regelung zwischen einer freiwilligen Organisation tatsächlich selbständiger CrowdworkerInnen und einer Organisation ihrer gewerblichen AufraggeberInnen, würde gleichsam eine Vereinbarung zwischen Unternehmerverbänden darstellen. Dies scheint aber im Lichte des Kartellrechts fragwürdig.
Abschließend heißt das, dass eine weitgehende Einbeziehung arbeitnehmerähnlicher CrowdworkerInnen in das Arbeitsrecht jedenfalls wünschenswert ist. Offen bleibt hier jedoch die Frage der Abgrenzung. Denn jene CrowdworkerInnen, die weniger arbeitnehmerähnlich, sondern mehr unternehmerähnlich sind, sind nur dann und nur insoweit miterfassbar, als sie wegen ihrer Schutzwürdigkeit in andere Schutzgesetze, wie etwa das HeimAG, miteinbeziehbar sind.
[1] Siehe dazu Beitrag „(Arbeits-)Rechtliche Aspekte der Gig-Economy“.
[2] Warter, Crowdwork (2016) 331 ff.
Weitere Infos zum Thema gibt es hier kostenlos: www.gig-economy.at